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Jacob P. Gast |
/ #652 "Ihr" Muslime...2010-10-30 19:48In der islamischen Welt fing die Aufklärung lange vor der Renaissance an. Bereits im 9. Jahrhundert u. Z. erlebte unter dem Kalifen Al-Ma'mun die sogenannte Mu´tazila, eine rationalistische Glaubensrichtung des Islams, ihren Höhepunkt. Nicht nur wurden bedeutende Werke in den Bereichen der Philosophie, Medizin und Naturwissenschaften geschaffen oder ins Arabische übersetzt, die dazu führten, dass die islamische Kultur das rückständige christliche Abendland weit übertrumpfte. Nein, es wurde auch der Koran und die Glaubenspraxis kritisch unter die Lupe genommen, weshalb die Vertreter der islamischen Aufklärung - bis heute - von den autoritativen Schriftgelehrten als Ketzer und Ungläubige angesehen werden. Man denke dabei nur an das persische Universalgenie Ibn Sina, einem der größten Wissenschaftler aller Zeiten. Oder an den großen arabisch-spanischen Philosophen Ibn Ruschd, nur um die beiden bekanntesten Persönlichkeiten zu nennen. Beide wurden weit über ihre Landesgrenzen bekannt. Es gab noch andere, z.B. Ar-Razi und Al-Kindi... Damals war der Islam dem Christentum um Jahrhunderte voraus, war toleranter und fortschrittlicher als das Abendland. Der Unterschied ist, dass die Aufklärung in der islamischen Welt nie im gleichen Ausmaß Fuß fassen und sich durchsetzen konnte, wie die Aufklärung hier im christlichen Europa. Die Blütephase und Überlegenheit der islamischen Kultur gründete sich nicht auf Fanatismus und blinder Frömmigkeit, sondern auf der kritischen Distanz zur Religion. Es gab sie also nicht wegen, sondern trotz der islamischen Orthodoxie. Ich vermute, das war es auch, was Nietzsche so am Islam bewunderte: "Das Christentum hat uns um die Ernte der antiken Kultur gebracht, es hat uns später wieder um die Ernte der Islam-Kultur gebracht." (Der Antichrist, 60) Das war nur möglich, weil die islamische Welt über ein gesundes Selbstbewusstsein und eine gewisse Gelassenheit verfügte, die ihr heute völlig abgeht. Heute gleicht der Islam einem rostigen, löchrigen Schiff, das mit einem Eisberg, der Moderne, kollidierte und nun sinkt, während die Orthodoxen auf der Brücke das Schiff weiterhin für unsinkbar halten und das Orchester der Islamreformer weiterhin Musik spielt, um die Besatzung nicht zu beunruhigen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass unter leicht veränderten Umständen - v. a. ohne die reaktionäre Theologie eines al-Ghazzali, die der Blütezeit von Vernunft und Wissenschaft in der arabischen Welt ein Ende setzte - die Renaissance zuerst in der islamischen Kultur stattgefunden hätte und nicht in der christlich-abendländischen. In diesem Fall würde heute möglicherweise nicht die islamische sondern die christlich-abendländische Kultur als Inbegriff von Rückständigkeit und Fortschrittsfeindlichkeit gelten. Wir verdanken es im Grunde einem blöden Zufall, dass die Orthodoxie wieder über die menschliche Vernunft siegte und nicht die Araber, sondern die Europäer die Früchte der islamischen Aufklärung ernteten. Was der Islam heute dringend bräuchte, wären Glaubenskritiker, Zweifler und Häretiker wie damals. Heute hingegen gilt: Allein schon die banale Tatsache zu erwähnen, der Koran sei ein von Menschen geschriebenes Buch und ein Kind seiner Zeit, löst unter "euch" Muslimen aggressive Pawlow'sche Reflexe aus. "Blasphemie" und "Beleidigung" sind da noch die freundlichsten Erwiderungen. Allerdings werdet "ihr" Muslime nicht drumherum kommen, euch mit "euren" Glaubensgrundlagen auseinander zu setzen. "Ihr" lebt nämlich nicht in einer hermetisch abgeschlossenen Welt. Im Gegenteil, "ihr" benutzt unsere (!) Technik, profitiert von unserer (!) Freiheit und Toleranz, von unserem (!) Fortschritt, verdammt aber gleichzeitig den freien Geist, der dies alles überhaupt erst ermöglicht hat. "Ihr" seid empört, wenn Menschen eure Religion kritisieren, merkt aber nicht, dass die Handys, Autos und Computer, die ihr jeden Tag benutzt, nur deshalb existieren, weil Menschen Gott und seine Propheten als das erkannten, was sie sind: literarische Figuren. "Ihr" profitiert von unserer (!) Religionskritik, wollt "eure" Religion aber davor ausdrücklich ausnehmen und immunisieren. Das funktioniert nicht! Was wollt "ihr" eigentlich machen, wenn euch irgendwann das Erdöl ausgegangen ist? Noch könnt "ihr" unsere Technik einkaufen und dazu nutzen, um Wolkenkratzer in Bahrain und Atomreaktoren in Buschehr zu bauen, aber was macht ihr, wenn ihr nichts mehr habt, was ihr uns bieten könnt? Freie, kreative und innovative Köpfe habt ihr nicht. Euren Kindern trichtert ihr den Koran so lange ein, bis sie ihn auswendig können. Eure Frauen verbannt ihr an Küche und Haushalt, steckt sie unter Nikab oder Burka und lasst sie ein chancenloses Kind nach dem anderen zur Welt bringen. Das ist fast alles, was die islamische Kultur in den letzten tausend Jahren hervorgebracht hat. Und "ihr" wisst das! Purer Neid, das ist der Grund, weshalb "ihr" uns so hasst: Weil wir "euch" um Jahrhunderte vorausgeeilt sind. "Ihr" seid froh, wenn wir eure zurückgebliebene Kultur überhaupt zur Kenntnis nehmen, statt euch in eurer Primitivität dahinvegetieren zu lassen. Deswegen macht "ihr" euch in der Öffentlichkeit erst so sichtbar, schmückt euch mit Kopftüchern und Bettlaken: Hauptsache auffallen! Und wenn wir euch fürchten ("Islamophobie"), gut so! Besser gefürchtet als ignoriert oder bemitleidet werden. "Ihr" verwechselt dabei nur etwas: Nicht wir fürchten euch, "Ihr" fürchtet uns! Genauer: "Ihr" fürchtet euch vor der Erkenntnis, dass eure Kultur sich selbst überlebt hat und von der Moderne überrollt zu werden droht. Deswegen der Pawlow'sche Reflex, deswegen die Rückbesinnung auf die Orthodoxie. Aber, wie sagt es Gorbatschow so treffend, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Der "Kampf der Kulturen" ist längst im Gange. Er findet aber nicht zwischen dem Islam und dem Westen statt, sondern zwischen Konformismus und Individualismus. Er findet auch in Ägypten, Saudi-Arabien, Palästina, Sudan, Iran und Afghanistan statt, zwischen Menschen, die das marode Gefängnis aus Tradition und Orthodoxie aufbrechen und frei sein wollen, und Menschen, die sich damit begnügen, "ihr" Gefängnis hübsch auszuschmücken und sich darin einzurichten ("Hauptsache meins!"). |
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