Offener Brief des Student*innenrats der Universität Leipzig zum geplanten Bau des neuen Wassersportzentrums
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Offener Brief des Student*innenrats der Universität Leipzig zum geplanten Bau des neuen universitären Wassersportzentrums. Die geplanten Baumaßnahmen am Störmthaler See bedrohen ein schützenswertes Biotop. Hierzu zählt unter anderem auch die Bauplanung für das neue Wassersportzentrum der Universität Leipzig.
Die Universität Leipzig meldete dem Sächsischen Ministerium den Bedarf nach einem neuen Wassersportzentrum, welcher aus der Unabwendbarkeit zu einem Standortwechsel und damit verbundener Neuerrichtung entstand. Dies hatte die Beauftragung des Staatsbetriebs Sächsisches Immobilien- und Baumanagement Leipzig (SIB) zur Folge. Aus den bisherigen Bauplänen für das gesamte Areal geht jedoch hervor, dass u.a. im Abschnitt Östlich Grunaer Bucht ein geschütztes Biotop gemäß §30 BNatSchG und §21 SächsNatSchG bebaut werden soll.
Das betrifft nicht nur direkt den Lebensraum von Pflanzen und Tieren, die auf der Roten Liste zur Dokumentation ihres Gefährdungsstatus in Deutschland aufgeführt sind. Nach zwei Jahrzehnten Renaturierung infolge nahezu einem Jahrhundert Braunkohleförderung hat sich der Grünzug Östlich Grunaer Bucht mittlerweile zu einem wichtigen Bindeglied im regionalen Biotopenverbund des Südraumes Leipzig entwickelt. Die geplanten Eingriffe in die Natur werden daher die Biodiversität der gesamten Region stark beeinträchtigen.
Daher schließen wir uns gemeinsam mit dem Naturschutzbund (NABU), Die Grünen Großpösna und der Hochschulgruppe Die LISTE Leipzig den Forderungen des Vereins UferLeben Störmthaler See e.V. an, welcher sich seit nunmehr sechs Jahren für eine naturverträgliche Lösung einsetzt. Im Mai dieses Jahres wendete sich UferLeben mit einem offenen Brief direkt an die Universitätsleitung, dessen Beantwortung Rektorin Prof. Obergfell im Juni vornahm. Mittlerweile habe das Rektorat nach Aussage des Prorektors Prof. Middell (Prorektor für Campusentwicklung) einen Widerspruch zwischen den bisherigen Bauplänen und der eigenen Bedarfsanmeldung feststellen müssen. Die kritische und öffentlichkeitswirksame Thematisierung der Bauplanung habe zu einer Prüfung derselben geführt, für die Einschätzung der Situation seien u.a. naturschutzrechtliche wie prüfungsrelevante Gründe maßgeblich gewesen. Daraufhin forderte die Universität das SIB dazu auf, einen neuen Plan für die Errichtung des neuen Wassersportzentrum vorzulegen.
Der Gemeinderat Großpösna forciert den Ausbau des Abschnitts Östlich Grunaer Bucht bereits seit November 2012, um diesen als Naherholungsziel wirtschaftlich nutzbar zu machen. Das besagte universitäre Wassersportzentrum bildet dabei lediglich einen Teil der geplanten Bebauung. Allein die allgemeine Erschließung und Urbanisierung des gesamten Areals, von deren Nutzung das Wassersportzentrums abhängig wäre, hätte einen massiven Eingriff in die Natur zur Folge. Direkt betroffen wären außerdem mehrere hundert Meter von Röhricht, der in der Roten Liste Sachsens als gefährdeter Biotopentyp geführt wird und daher gemäß des sächsischen Naturschutzgesetzes einen besonderen Schutzstatus erfahren sollte. Er bildet den längsten zusammenhängenden Schilfzug des Sees, der eine unmittelbare Ruhe- und Brutzone, aber auch Nahrungsquelle für streng geschützte Vogelarten darstellt und darüber hinaus wichtige Funktionen in der Seeökologie erfüllt.
Konkret beherbergt die Röhrichtzone Östlich Grunaer Bucht im Plangebiet des Wassersportzentrums die Beutelmeise (RL D Kat. 1) und das Blaukehlchen (RL Sachsen ‘extrem selten’), daneben typische Bewohner einer intakten Röhrichtgesellschaft, die alle gemäß der Vogelschutzrichtlinie Schutzstatus erfahren. Auch die unmittelbar umgebenden Areale beherbergen eine Vielzahl weiterer stark gefährdeter Tierarten, darunter Sperbergrasmücke und Raubwürger (beide RL Kat. 1), Flussseeschwalbe, Kiebitz, Feldschwirl (alle RL D Kat. 2) und die streng geschützte Uferschwalbe, aber auch verschiedene geschützte Fledermaus-, Reptilien- und Insektenarten.
Für uns ist daher absolut nicht nachvollziehbar, warum dieser Standort ausgewählt wurde, da vor allem der Regionalplan Westsachsen auf die bereits erschlossene Magdeborner Halbinsel als mögliches Planungsgebiet für ein Wassersportzentrum verweist. Als weitere Standortalternative könnte ebenso das bestehende Wassersportzentrum Sächsisches Seebad Zwenkau GmbH & Co. KG am Zwenkauer See fungieren.
Wir als Student*innenrat der Universität Leipzig fordern ein konsequentes und verantwortungsbewussteres Handeln von unserem Rektorat. Wir begrüßen es sehr, dass dieses nun Einspruch beim SIB gegen das bisherige Bauvorhaben erhoben hat. Jedoch betrachten wir diese Entscheidung lediglich als ersten Schritt, sich nicht der eigenen Verantwortung innerhalb der globalen ökologischen Krise gänzlich zu entziehen. Leider sehen wir uns als Studierendenvertretung zunehmend – und so auch in diesem Fall – einer intransparent und zu langsam agierenden Universitätsleitung gegenüber, die darüber hinaus die Notwendigkeit unserer Plenumsbeschlüsse in Frage stellt. Zum einen hoffen wir verständlicherweise auf eine bessere Zusammenarbeit. Zum anderen betrachten wir unsere Universität als eine nachhaltige Institution mit Vorbildfunktion. Sie sollte deshalb ihrer gesamtgesellschaftlichen Rolle gerecht werden und weder zu einer aktiven noch passiven Triebkraft im größten Artensterben seit der Zeit der Dinosaurier verfallen. Indem sie ihre gesellschaftliche Stellung dazu nutzt, der eigenen Positionierung signalisierende Strahlkraft zu verleihen, könnte sie den Diskurs noch breiter in die Öffentlichkeit tragen und weitere Baubeteiligte zu einem kritischeren Bewusstsein führen. Zu beidem halten wir sie im Stande. Andernfalls blieben sämtliche ökologische Versprechungen als Engagement für eine lebenswerte Zukunft im Zuge eines unzeitgemäßen Vorgehens als widersprüchliche und damit leere Phrasen zurück.
***English***
Open letter of the Student*innenrat of the University of Leipzig regarding the planned construction of the new university water sports center The planned construction of new university aquatic center threatens a biotope worthy of conservation. This includes, among other things, the planned construction for the new water sports center of the University of Leipzig.
The University of Leipzig reported a demand for a new water sports center to the Saxon Ministry. This demand was due to an inevitable change of location, resulting in the need of a new development area. This led to the commissioning of the state-owned company SIB - “Sächsisches Immobilien- und Baumanagement Leipzig” (Saxon Property and Construction Management Leipzig). The current plans of the entire area show intended development on a (as per §30 BNatSchG and §21 SächsNatSchG) protected biotope east of the “Grunaer Bucht” (Grunaer Bay) section.
Not only does this directly affect the habitat of red listed plants and animals – after almost a century of lignite mining, the green corridor “Östlich Grunaer Bucht” (Grunaer Bay East) has now developed into an important link in the regional biotope network of the southern Leipzig region due to two decades of renaturation efforts. Therefore, the planned interference in nature will have a negative effect on the entire region.
Together with the Nature and Biodiversity Conservation Union (NABU), “Die Grünen Großpösna” and the student group “Die LISTE”, we are thus joining in on the demands of the “UferLeben Störmthaler See e.V.” association, which has been campaigning for a sustainable solution for six years. In May of this year, “UferLeben” wrote an open letter directly to the university rectorate, which was answered by rector Prof. Obergfell in June. According to Prof. Middell (Vice-Rector for Campus Development), the rectorate has noticed the contradiction between the previous construction plans and their own reported requirements by now. The critical and public discourse on the planned construction has led to a reassessment of the plans. The assessment of the situation was, among other things, based on reasons of nature conservation and audit relevance. As a result, the university requested that SIB submits a new plan for the construction of the new aquatic center.
The expansion of the section “Östlich Grunaer Bucht” is planned by the municipal council Großpösna since November 2012 to create an economically viable, local, recreational area. The university auqatic center only represents a part of the planned development. The overall development and urbanization of the entire area, on the use of which the water sports center depends, would result in a massive encroachment on the natural environment. Among other things, this would directly affect several hundred meters of reedbed, which is listed as an endangered type of biotope in Saxony’s Red List and should therefore be given special protection under Saxony’s Nature Conversation Act. It forms the longest continuous reedbed area of the lake and functions as an immediate resting and breeding zone as well as a food source for strictly protected bird species. Moreover, it fulfills important functions regarding the lake‘s ecology.
In particular, the reedbed area “Östlich Grunaer Bucht”, which is located directly in the planned development zone of the aquatic center, is home to the Penduline (RL D Cat. 1) and the Bluethroat (RL Saxony “extremely rare”). Additionally, it contains the typical inhabitants of an intact reedbed system, all of which are protected under the Birds Directive. The surrounding areas are also home to a variety of other highly endangered species, including the barred warbler and the great grey shrike (both RL Cat. 1), the common tern, lapwing, field warbler (all RL D Cat. 2), the strictly protected sand martin as well as various protected bat, reptile and insect species.
For this reason, the selection of this particular location is incomprehensible to us, since the regional plan of western Saxony refers to the “Magdeborner Halbinsel” (Magdeborn Peninsula) as a planning area for the aquatic center. Another alternative could also be the existing water sports area “Sächsische Seebad Zwenkau GmbH & Co. KG” (Saxon Lakeside Resort Zwenkau GmbH & Co. KG) at Zwenkauer Lake.
We, the Student Council of the University of Leipzig, demand consistent and responsible actions from our rectorate. We highly welcome the rectorate’s decision to object to the previously planned construction by SIB. However, we consider this decision only as a first step towards not completely avoiding responsibility in the global ecological crisis. Unfortunately, we as student representatives are – just as in this case – increasingly confronted with a non-transparent and slow-acting university management, which even questions the necessity of our plenary`s decisions. On one hand, we naturally hope for better cooperation. On the other hand, we regard our university as a sustainable institution with the responsibility to serve as a role model. It should therefore do justice to its role in society as a whole and neither become an active nor a passive driving force in the greatest extinction of species since the dinosaur-age. By using its social standing to clearly signalize its own position, the university may be able to raise public awareness about the issue and encourage other participants involved in the development process to become more critically aware of what’s at stake. We consider them capable of both. Otherwise, all ecological promises as a commitment to a livable future would remain contradictory and thus empty phrases, if the university's course of action is not in accordance with recent times.
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