Für das "Biotop der Vergänglichkeit" in Prien
Das vom Künstler Carsten Lewerentz in Prien a. Chiemsee geschaffene Kunstwerk "Biotop der Vergänglichkeit" im Eichental im Prien a. Chiemsee setzt sich mit dem aktuellen und brisanten Problem der Beständigkeit des Zivilisationsmülls auseinander. Von der Gemeinde aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses angekauft soll es nun aufgrund eines neuerlichen Beschlusses (mit einer Stimme Mehrheit) zerstört werden. Der Bayerischer Rundfunk hat darüber berichtet (TV-Bericht vom 7.6.2016). Mehrere Bürger aus Prien und Umgebung haben mit folgendem Brief den Gemeinderatsbeschluss kritisiert. Schließen Sie sich mit Ihrer Unterschrift dieser Kritik an!
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren des Marktgemeinderats,
mit knapper Mehrheit hat der Priener Marktgemeinderat kürzlich beschlossen, die Installation des Künstlers Carsten Lewerentz „Biotop der Vergänglichkeit“ aus dem Eichental zu entfernen.
Wir, Bürgerinnen und Bürger aus Prien und aus der Künstlerlandschaft Chiemsee, halten diesen Beschluss aus folgenden Gründen für falsch:
- Wer sich als Ortsfremder unbefangen dem Eichental von der Ortschaft Prien her nähert, wird höchstens von den Einbauten überrascht, die mit der Aus- übung sportlicher Tätigkeiten zu tun haben. Niemand wird jedoch auf die Idee kommen, diese Anlagen, die seit langem ihren angestammten Platz gefunden haben, entfernen zu wollen. Das „Biotop der Vergänglichkeit“ fällt schon größenmäßig gegenüber den anderen von Menschenhand geformten Anlagen kaum auf und hat sich längst in die Umgebung eingefügt.
- Die Entfernung des Mahnmals von Carsten Lewerentz verhindert, dass sich die Öffentlichkeit mit einem der größten zivilisatorischen Probleme, der Beseitigung unseres Wohlstandsmülls aus Kunststoff und Plastik, auseinandersetzt. Es wäre doch sehr reizvoll gewesen mitzuerleben, wie einerseits der alte Eichenstamm sehr bald natürlich „entsorgt“ wird, während andererseits künstliche Stoffe der Natur trotzen, um vielleicht irgendwann doch von der Natur überwuchert zu werden. Diesen Prozess darzustellen, hat sich der Künstler vorgenommen. Diese Intention lässt sich in sinnvoller Weise nur in der Natur verwirklichen. Doch offensichtlich wird sie von einer Mehrheit der Marktgemeinderäte nicht gebilligt. Da der Künstler die Öffentlichkeit braucht, ist das leicht erreichbare Eichental genau der richtige Ort für sein Mahnmal. Die häufig gehörte Argumentation, man habe ja an sich nichts gegen das Kunstwerk, nur gehöre es nicht ins Eichental, geht daher fehl.
- Mit der Entfernung der Installation von ihrem jetzigen Ort vergibt Prien eine große Chance. Bei aller Liebe zu den klassischen Chiemseemalern, die uns allen zu Eigen ist, muss es einem Künstlerort wie Prien auch um die Förderung zeitgenössischer Kunst gehen. „Müllkunst“ wird derzeit vielerorts diskutiert. Mit der Installation von Carsten Lewerentz hätte sich unser Prien an die Spitze dieser Debatte stellen können.
- Dass es gerade ein Werk des Künstlers Carsten Lewerentz ist, das auf Beschluss des Gemeinderats zerstört werden soll, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Carsten Lewerentz hat sich wie wenige sonst mit Rat und Tat um den Kulturort Prien verdient gemacht. So hat er vor einiger Zeit dem Markt Prien einige seiner Werke für die gemeindliche Sammlung geschenkt und ist seit langem ein nahezu unentbehrlicher Mitarbeiter des Galerie- und Museumsleiters Karl Aß. Darüber hinaus hätten zahlreiche Projekte des Kulturfördervereins Prien am Chiemsee ohne sein Engagement nicht verwirklicht werden können.
- Die Entfernung des Mahnmals aus dem Eichental bedeutet nicht weniger als die Zerstörung eines Werkes der modernen Kunst. Haben sich die dies fordernden Marktgemeinderätinnen und –räte eigentlich überlegt, was es für einen Künstler bedeuten muss, wenn sein Kunstwerk, seine Idee, sein geistiges Eigentum von seinem Auftraggeber vernichtet wird? 6. Und nicht zuletzt: Haben sie bedacht, in welchen Ruf ein Gemeinwesen gerät, in dem ein Kunstwerk dem Geschmack der Mehrheit des Gemeinderats weichen muss? Kunst muss nicht immer gefällig sein, vor allem wenn sie Probleme augenfällig machen will. Diese Art von Kunst geht seit jeher nicht ohne Kontroversen ab. Dass unser Gemeinwesen solche Kontroversen aushält und sich dabei dem Leitgedanken der Toleranz verpflichtet fühlt, halten manche für eine der größten gesellschaftlichen Errungenschaften unserer Zeit – im Übrigen gerade deshalb, weil das Gebot der Toleranz auch eine Mehrheit verpflichtet. Hier stehen jedoch am vorzeitigen Ende der Kontroverse die Zerstörung des Werkes und damit eine bedauerliche Manifestation der Intoleranz.
Selbstverständlich ist die Umsetzung eines Mehrheitsbeschlusses eines Marktgemeinderats hinzunehmen. Es ist uns aber ein drängendes Anliegen zu dokumentieren, dass die Denkweise, die die Grundlage dieses Mehrheitsbeschlusses bildet, bei weitem nicht von allen in dieser Gemeinde geteilt wird. Einer Gemeinde, die ansonsten zu Recht stolz auf ihr reges und offenes kulturelles Leben sein darf.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Friedrich v. Daumiller, Dr.Gregor Rieger, Bertrand Koller, Andreas Grutsch, Roswitha Sedlmeir, Hildegard Dittberner, Georg Klampfleuthner, Charlotte Münck, Marius Münck, Prof.Dr.Manfred Treml, Bettina Weller, Rudi Eberhardt, Bernd Püschel, Herta Niederschweiberer, Gerhard Huber, Irmgard Huber, Petra Fischer-Rados, Ute Gladigau, Rita Mengedoth, Gerhard Märkl
Dr. Friedrich v.Daumiller, Dr. Gregor Rieger u.a. Verfasser der Petition kontaktieren
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