Effektiver und sicherer Unterricht trotz Covid-19

Zusammenfassung:

Wir schlagen ein Hybridmodell vor, bei welchem Schüler selbst entscheiden können ob sie Lektionen von zuhause per Videokonferenz oder im Klassenzimmer mitverfolgen möchten. Um zu gewährleisten, dass alle Schüler*innen beim Unterrichtsstoff mitkommen schlagen wir eine für jedes Fach spezifische Notenschwelle vor. Falls die Note in einem Fach ungenügend ist, sollen Schüler*innen den Unterricht im Klassenzimmer besuchen, sofern dies zu keiner Gefährdung vulnerabler Personen in ihrem Umfeld führt.

Voller Text:

Effektiver und sicherer Unterricht trotz Covid-19 – Eine Petition zweier Schüler

Wir sind zwei Gymnasiasten, die sowohl von der Erziehungsdirektion Bern als auch von diversen Schulleitungen einen Mangel an kreativen Lösungsansätzen sehen, den Unterricht trotz Pandemie zielführend zu gestalten. Ansteckungen häufen sich und dennoch gehen jeden Tag mehr als 1000 Lernende (Vgl. www.gymkirchenfeld.ch/home/kurzportrait) im Gymnasium Kirchenfeld ein und aus. Damit setzen sie nicht nur sich selbst sondern auch unter anderem Familienmitglieder und Lehrpersonen einer vermeidbaren Gefahr aus. Etliche weitere Personen werden zusätzlich durch den für viele alternativlosen Schulweg mit dem ÖV gefährdet. Bereits jetzt sehen Schweizer Gymnasien Fälle von vorher vollkommen gesunden Jugendlichen, die nun an stark einschränkenden Langzeitsymptomen leiden. Jetzt ist es mehr denn je an der Zeit zu handeln. Die Fallzahlen bleiben hartnäckig hoch und die Kapazitäten der Spitäler sind schon seit Wochen am Limit. Die nun auch in der Schweiz nachgewiesene, ansteckendere Variante des Virus (Vgl. BAG Medienmitteilung 24.12.2020) lässt fahrlässiges Verhalten wie bisher nicht länger zu. Es gibt kaum wirksamere Methoden Ansteckungen zu verhindern als Schulschliessungen. (Vgl. J. M. Brauner et al., 2020) Obwohl eine vollkommene Schulschliessung mit Problemen einhergeht, ist auch eine Teilschliessung eine wirksame Methode Leben zu retten. Wir empfehlen ein Hybridmodell, bei welchem weiterhin Lektionen wie aktuell stattfinden. Konkret stellen wir uns physischen Unterricht mit einer Teilklasse vor, während die restliche Klasse von zuhause per Videokonferenz teilnimmt. Dabei besteht die Teilklasse, die aus der Ferne mitmacht, aus Schüler*innen, die sich freiwillig dafür entschieden haben und einen genügenden Notenschnitt im jeweiligen Fach aufweisen. Wir wünschen uns, dass die Verantwortlichen, namentlich die Erziehungsdirektion Bern und die Schulleitungen, insbesondere jene des Gymnasium Kirchenfelds, sich unseren Vorschlag ansehen und unsere Thesen berücksichtigen. Wir wollen dabei nicht unbedingt eine unveränderte Umsetzung des beschriebenen Lösungsansatzes, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit dem status quo erreichen. Anhand einiger Thesen behandeln wir im Folgenden Probleme mit bisher versuchten Ansätzen (links) und bauen unseren eigenen Lösungsvorschlag (rechts) auf.

Zu viele Fälle, zu viele Schüler*innen

Obwohl in unserer Einleitung bereits erwähnt, ist es uns wichtig, einen gefährlichen Missstand noch einmal hervorzuheben. Ungefähr 1200 (Vgl. www.gymkirchenfeld.ch/home/kurzportrait/) Menschen in einem Gebäude sind bei einem Limit für öffentliche Anlässe von 15 Personen schlicht und einfach nicht mehr vertretbar. Das Gleiche gilt für öffentliche Verkehrsmittel, deren Benutzung für viele Schüler*innen und Lehrpersonen in den Wintermonaten nahezu unumgänglich ist. Besonders für Schüler*innen mit Risikopersonen im Umfeld kann der Schulalltag momentan zu konstanten Gewissenskonflikten führen. Aus diesem Grund ist von universellen Lösungen, welche alle Schüler*innen gleichsetzen abzuraten. Trotz der anderweitigen Probleme, welche jegliche Form des Fernunterrichts mit sich bringt, ist die momentane Situation nicht länger tragbar.

Freiwillig ins Klassenzimmer

Wir raten zu einem System, bei welchem physische Präsenz der Schüler*innen eine freiwillige und individuelle Entscheidung darstellt. So können Schüler*innen nicht nur ihre eigene Kompatibilität mit Fernunterricht beurteilen, sondern auch vulnerable Personen in ihrem Umfeld effektiver schützen. Ein weiterer Vorteil dieser Option gegenüber einer vollständigen Schulschliessung ist, dass Personen mit inadäquater technischer Ausrüstung oder Affinität nicht diskriminiert werden. Sie hilft auch Schüler*innen mit schwierigen häuslichen Umständen, diesen weniger stark ausgesetzt zu sein als bei einer kompletten Schulschliessung. Die Anpassungsmöglichkeiten einer individuellen Wahl stellen einen Vorteil gegenüber allgemeinen Regelungen dar. Für Prüfungen sind separate Richtlinien nötig. Diese müssen gesondert behandelt werden und sind deshalb nicht Teil dieser Petition.

Vollständer Fernunterricht macht schwache Schüler*innen schwächer

Eine totale Schliessung der Gymnasien legt Schüler*innen mit der Umstellung auf reinen Fernunterricht zwangsläufig eine erhöhte Eigenverantwortung auf. Eine komplette Nichtteilnahme am Unterricht wird mit dieser Herangehensweise vereinfacht. Physisch im Klassenzimmer können zumindest passiv Informationen zum Unterricht aufgenommen werden. Jene Schüler*innen, welche ohnehin Probleme mit der Motivation zur Teilnahme am Unterricht haben, werden nun komplett abgehängt. Dies konnten wir während des ersten Lockdowns mit eigenen Augen beobachten.                                                                                                                                                                         

Berücksichtigung von individuellen Stärken und Schwächen

Alle Schülerinnen und Schüler sind in verschiedenen Fächern unterschiedlich leistungsfähig und motiviert. Aus diesen Gründen sollten Lehrpersonen je nach Bedarf auch unterschiedlich auf die Bedürfnisse der Schüler*innen eingehen. Dieses Prinzip muss sich auch in Massnahmen zum partiellen Fernunterricht widerspiegeln. Als ein Mass für die Leistungsfähigkeit kann der Notenschnitt verwendet werden. Deshalb schlagen wir eine Notenschwelle vor, ab welcher Schüler*innen individuell entscheiden können, ob sie physisch im Klassenzimmer anwesend sein oder von Zuhause mitwirken wollen. Wir sehen eine Notenschwelle von einer 4.0 als angemessen an. Der endgültige Entscheid zur Höhe der Schwelle sollte jedoch für jedes Fach einzeln und von jeder Schule individuell getroffen werden. Selbstverständlich wären Schüler*innen mit Risikopersonen im Umfeld von dieser Notenschwelle ausgenommen.

Fernaufträge funktionieren nicht

Am Gymnasium Kirchenfeld in der Klasse M21a kamen während des Lockdowns im Frühjahr hauptsächlich Fernaufträge zur Anwendung. Aufträge haben diverse Nachteile gegenüber anderen Methoden des Fernunterrichts, insbesondere wenn diese exklusiv und exzessiv angewendet werden. Das reine Kopieren von Lösungen und die Ignoranz gegenüber Unterrichtsinhalten wird auf diese Weise incentiviert. Das Fehlen jeglichen audiovisuellen Austauschs führt unweigerlich zu einer tieferen Hemmschwelle, sich den Angaben der Lehrpersonen zu widersetzen und zu einer verminderten Aufnahmebereitschaft aufgrund des fehlenden Diskurses. An anderen Gymnasien wird es ähnliche Probleme gegeben haben.

Videounterricht als Hybridmodell

Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass für Schüler*innen Fernunterricht per Videokonferenz dem physischen Unterricht am nächsten kommt. Diese Art des Unterrichts erlaubt es Schüler*innen, direkt mit ihren Lehrpersonen und Mitschüler*innen im Austausch zu stehen. Auf diese Weise wird das Stellen von Verständnisfragen im Vergleich zu Aufträgen erleichtert. Der reine Videounterricht kann jedoch für Lehrpersonen schwierig sein, da die Stimmung der Klasse schwierig wahrnehmbar ist. Aus diesem Grund lässt sich ein Videounterrichtssystem sehr gut mit freiwilliger physischer Anwesenheit kombinieren, indem der Unterricht vor physisch präsenter Teilklasse live übertragen wird. Diejenigen Schüler*innen, die von zuhause aus teilnehmen, profitieren von einer qualitativ hochwertigen Variante des Fernunterrichts und Lehrpersonen können durch die physische Präsenz einer Teilklasse die inhärenten Nachteile des Unterrichts über Videokonferenz minimieren.

Mögliche Problematiken

Unser Vorschlag einer freiwilligen Präsenz mit Notenschwelle und Echtzeitübertragung des Unterrichts führt auch zu möglichen Problemen. Als am wichtigsten erachten wir dabei die technischen und organisatorischen Schwierigkeiten für Fachlehrpersonen, Schüler*innen aber auch die Schulleitungen und Informatikdienste. Reicht die Bandbreite der Internetverbindungen an Gymnasien aus, um jede Lektion als Videokonferenz zu übertragen? Ist der logistische Mehraufwand für Lehrpersonen vertretbar im Angesicht des tatsächlichen Nutzens unserer Massnahmen?

 Mögliche nächste Schritte

Wir vermuten, dass der organisatorische Mehraufwand für Fachlehrpersonen begrenzt ist. Sie müssen einzig Kameras und Mikrophone im Klassenzimmer aufstellen und die Inputs aus der Videokonferenz berücksichtigen. Ein grösseres Problem stellt wohl die technische Machbarkeit dar. Leider fehlen uns momentan die Informationen, eine abschliessende Einschätzung über die technische Machbarkeit eines solchen Hybridmodells zu treffen. Aus diesen Gründen raten wir dazu umgehend einen Pilotversuch zu starten.  


Philipp Burkhardt, Caspar Schucan    Verfasser der Petition kontaktieren

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