Manifest für Künstlerischen Community Dance
1. Was ist Künstlerischer Community Dance?
Unter Künstlerischem Community Dance verstehen wir die Entwicklung von vielfältigen Aufführungsprojekten, die Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, Altersgruppen und körperlichen Voraussetzungen den Zugang zur Kunstform Tanz ermöglichen. Die Projekte entstehen aus einer künstlerischen Vision heraus und werden meist von Tanzschaffenden, seltener von Institutionen initiiert, was sie von pädagogisch oder sozial motivierten Angeboten unterscheidet. Die mitwirkenden nicht- professionell tanzenden Menschen bringen ihre körperliche Ausdrucksfähigkeit, ihre Lebenserfahrungen und ihre individuellen Bewegungsqualitäten in den Prozess ein. Die Choreograf*innen bringen künstlerische Strategien, organisatorische Kompetenzen sowie pädagogische Sensibilität ein.
2. Was sind Qualitätsmerkmale des Künstlerischen Community Dance?
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Partizipation: zentral ist die Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen professioneller Leitung und nicht-professionell tanzenden Menschen, mit gegenseitigem Respekt und Neugierde.
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Diversität: Vielfalt der tanzenden Menschen und ihrer Körper.
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Kollektive Prozesse: die Interessen und Bedürfnisse aller Mitwirkenden erhalten Raum und werden im
Rahmen der künstlerischen Vision berücksichtigt.
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Transparenz: Wichtige künstlerische Entscheidungen werden transparent kommuniziert.
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Professionalität: Die Choreograf*innen sind professionell ausgebildete Tanzschaffende mit ausgewiesener choreografischer und dramaturgischer Erfahrung, unabhängig vom Tanzstil. Zudem verfügen sie über hohe pädagogische, soziale und organisatorische Kompetenzen oder ziehen dafür Expert*innen hinzu (Projektleitung, Fachperson Soziales).
3. Warum ist Künstlerischer Community Dance wichtig für die Gesellschaft?
Kunst soll die Gesellschaft spiegeln und neue Perspektiven auf relevante Themen anbieten. Unsere Gesellschaft ist sehr divers, multinational und umfasst auch Menschen mit Beeinträchtigungen. In Tanzwerken stehen in der Regel die homogenen Körper junger, weisser und athletischer Profi- tänzer*innen auf der Bühne. Ein grosser Anteil der Bevölkerung wird nicht repräsentiert. Um die Vorherrschaft der normativen Körper (nicht nur) auf der Bühne in Frage zu stellen, gehören vielfältige Körper auf die Tanzbühne. In Künstlerischen Community Dance Projekten erlangen mehr Menschen Sichtbarkeit und Selbstwirksamkeit. Ein diverses Publikum wird angesprochen, das sich mit den Körpern und Geschichten von nicht-professionellen Tänzer*innen identifizieren kann und durch sie eine authentische Stimme erhält.
4. Was braucht Künstlerischer Community Dance?
Es braucht neue Strategien, Formate, Räume und Akteure um nicht-normative Entwicklungen in der Tanzkunst zu befördern. Dafür braucht es engagierte Tanzschaffende, mit echtem Interesse an Teilhabe und Zugänglichkeit. Ihre Arbeit benötigt Zeit, Raum und Kontinuität - dafür sind Kooperationspartner-*innen wie Theater oder soziale Institutionen gefragt und vor allem Fördergelder für Produktionen sowie Aufführungsbeiträge. Wir empfehlen dafür speziell definierte Fonds für Projekte, die künstlerische Teilhabe fokussieren.
5. Wer sind wir?
Wir sind professionelle Choreograf*innen und Tanzschaffende, die mit Leidenschaft gemeinsam mit nicht professionell tanzenden Menschen jeden Alters, Genders und jeder Nationalität, unabhängig von ihrer körperlichen oder geistigen Verfassung, Stücke kreieren. Wir haben uns für die Zusammenarbeit mit nicht- professionell tanzenden Menschen entschieden, weil sie unsere Vorstellung davon, was Tanz ist, herausfordern und uns dazu inspirieren, neue Wege zu gehen.
(Verfasst von Tina Mantel und Johanna Maria Raimund in Zusammenarbeit mit Mitwirkenden des Tanzmehr Bühne Festivals 2021. 30.4.2022)
Die Unterzeichneten stimmen Credo und Manifest zu und wenden die genannten Qualitätsmerkmale in ihrer Arbeit an.
Tina Mantel - Tanzmehr Bühne Verfasser der Petition kontaktieren