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Gast

/ #1250 Geistlicher Besuch im Schweinestall

2013-10-16 21:35

Gesendet: Mittwoch, 16. Oktober 2013 um 21:57 Uhr
Von: "Klaus Hamper"
An: lasup.lueneburg@evlka.de
Betreff: Geistlicher Besuch im Schweinestall

Sehr geehrter Herr Landessuperintendent Rathing,

auf der Website der Landeskirche Hannover, Sprengel Lüneburg, kann man lernen, dass Ihr Lieblings-Bibelwort lautet. "Du, Gott, stellst meine Füße auf weiten Raum." (http://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/wir-ueber-uns/sprengel-kirchenkreise/sprengel-lueneburg/der-sprengel-subhome)

In dem dieser Mail angehängten Artikel aus der Zeitung des Landvolks Lüneburger Heide, Ausgabe 10, Oktober 2013, kann man lernen, dass Sie zusammen mit ein paar Pastorenkollegen dem Landwirt Isermann in Toppenstedt einen „geistlichen Besuch“ abgestattet haben. Bei diesem Besuch haben Sie („markig“) geäußert: „Landwirtschaft ist ein Wirtschaftsunternehmen und kein Tierpflegeverein“. Sie sahen bei Ihrem Besuch Schweine, jeweils 25 Stück, um die 80 kg schwer, in je einer „Mastbucht“, 10 „Mastbuchten“ in einem „Abteil“, acht „Abteile“ im Stall, macht zusammen 2000 Tiere. Dem Bild kann man entnehmen, dass die Schweine ohne Einstreu auf Spaltenböden (ergo über ihrer eigenen Gülle) eingepfercht sind und keinen Auslauf nach draußen haben. Der Artikel behauptet, der Stall sei „lichtdurchflutet“ und alle Schweine „wohlauf“. Auf die Frage des NDR-Hörfunks nach Ihrer Einstellung zur „industriellen Tierhaltung“ antworteten Sie ausweichend: „Ich habe keine Unwürde im Stall erlebt“. Auf die Nachfrage nach den oft erbärmlichen Zuständen in Tierfabriken antworteten Sie ebenfalls ausweichend: „Ich habe diese Bilder hier nicht gesehen.“

So weit, so gut. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Sie wollten mit Ihrem Besuch „Unkenntnis und Unverständnis minimieren“. Dann muss man jedoch auch zur Kenntnis nehmen, dass die Schweinehaltung in der von Ihnen visitierten Form mitnichten artgerecht ist. Es ist hinlänglich bekannt, dass die männlichen Tiere bis auf den heutigen Tag betäubungslos kastriert werden (das heißt, ihnen werden die Hoden bei vollem Bewusstsein und Schmerzempfinden operativ entfernt). Es ist weiterhin hinlänglich bekannt, dass die Tiere in den praktisch reiz- und beschäftigungsfreien Massenställen unter quälender Langeweile leiden. Ihnen werden daher vorsorglich (ebenfalls ohne Betäubung) die Ringelschwänze abgeschnitten, um zu verhindern, dass sich die Tiere diese aus Langeweile gegenseitig abnagen. Es ist weiterhin hinlänglich bekannt, dass fast alle Mastschweine unter chronischen Lungenerkrankungen leiden, weil sie permanent die beißenden Ammoniakausdünstungen Ihrer eigenen Ausscheidungen einatmen müssen.

Und dann erfährt man noch, dass die Tiere als Ferkel aus Dänemark kommen und in Wiedenbrück oder Weißenfels geschlachtet werden. Allein von der dänischen Grenze bis nach Toppenstedt sind es gut 200 km. Von Toppenstedt nach Wiedenbrück sind es 240 km, und von Toppenstadt nach Weißenfels sind es gar 380 km. Sie fragen den Bauern, warum die Tiere so weit transportiert werden müssen. Die Antwort wird geflissentlich verschwiegen.

Natürlich ist Landwirtschaft ein Wirtschaftsunternehmen. Wer aber Tiere hält, ist für ihr Wohlergehen verantwortlich. Das hat immer auch etwas mit Tierpflege zu tun – auch wenn Sie dem Begriff „Tierpflegeheim“ in dem geäußerten Zusammenhang – vielleicht gewollt – eine Dimension der Lächerlichkeit geben. In Massenställen auf Spaltenböden können Schweine ihr kurzes Mastleben niemals artgerecht leben, auch wenn die Vertreter der Agrarindustrie immer wieder etwas anderes behaupten. Wenn Schweine artgerecht leben könnten, wäre ihr Fleisch nämlich nicht so billig. Der Verbraucher hierzulande würde ja vielleicht etwas mehr zahlen. Für dem Weltmarkt allerdings – und für den wird in Deutschland eifrig produziert - muss das Fleisch billig sein. Für die Chinesen, Koreaner und Russen zählen „Sentimentalitäten“ nicht. Und die Bauern und ihre Funktionäre lassen es zu, machen mit und verdienen daran.

Vielleicht gehören Überlegungen dieser Art zur ganzheitlichen Betrachtung eines Besuchs in einem Schweine-Massenstall dazu - auch und besonders unter dem Aspekt des „Minimierens von Unkenntnis und Unverständnis“. Vielleicht sollten Sie auch einen Gedanken daran verschwenden, dass Ihr Lieblingsbibelwort nicht nur für Sie selbst und die Menschen gilt, sondern dass Ihr Herrgott in seiner Schöpfung einstmals auch die Füße der Schweine (und der Hühner und Puten) „auf weiten Raum“ gestellt hat. Diesem weiten Raum würde ein Auslauf an frischer Luft, Einstreu und Beschäftigungsmaterial sicher näher kommen als ein paar hundert im dreistöckigen Tiertransporter zurückgelegte Kilometer am Anfang und am Ende eines kurzen und erbärmlichen Lebens. Die Schöpfung ist nämlich unteilbar und schließt alle Arten von „armen Schweinen“ ein.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Klaus Hamper

PS: Wir befinden uns mitten in einer Periode des großen Artensterbens, dennoch sind die meisten Menschen blind dafür. Sie sind so beschäftigt mit ihrem trivialen Zirkus, den anthropozentrischen Zeitvertreiben, Sport, Kunst, Klatsch, Politik, Wein, Essen und Unterhaltung. Die Menschen fiedeln, während die Erde brennt. Captain Paul Watson, www.seashepherd.de


PPS: An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert. Erich Kästner, Das fliegende Klassenzimmer